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St.-Karli-Kirche: Violinsoirée mit José Luis Rubio
20. November 2022 @ 5:00 pm - 6:00 pm
Jeder gestandene Geiger hat sie im Repertoire: Niccolò Paganinis gefürchtete Solocapricci. Kaum jemand aber wagt es, ein Rezital nur mit diesen wilden, aus prasselnden Läufen und Doppelgriffen bestehenden äusserst virtuosen Stücken zu spielen, die der Teufelsgeiger sich auf den Leib geschrieben hat.
Der kubanische Musiker José Luis Rubio hat sich ein Rezital nur aus diesen Caprici zusammengestellt:
Caprice Nr. 1 E-Dur Andante
Caprice Nr. 2 h-Moll Moderato
Caprice Nr. 3 e-Moll Sostenuto
Caprice Nr. 5 a-Moll Agitato
Caprice Nr. 6 g-Moll Lento
Caprice Nr. 13 B-Dur Allegro
Caprice Nr. 14 Es-Dur Moderato
Caprice Nr. 15 e-Moll Posato
Caprice Nr. 16 G-Moll Presto
Caprice Nr. 17 Es-Dur Sostenuto
Caprice Nr. 23 Es-Dur Posato
Caprice Nr. 24 a-Moll Quasi Presto
José Luis Rubio
Der in Havanna, Kuba, geborene Violinist José Luis Rubio Reyes begann im Alter von acht Jahren, Geige zu spielen. Nach dem Musikstudium am Instituto Superior de Arte in seiner Heimatstadt absolvierte er einen Postgraduate-Kurs in Deutschland, bevor er 2020 an der Hochschule Luzern mit dem Bachelor im Hauptfach Geige startete. In seiner musikalischen Laufbahn hat er sich zusehends auf die Barockmusik und die moderne Violine spezialisiert, ist international in zahlreichen Ländern als Solist aufgetreten und stand verschiedentlich auch mit Sinfonieorchestern auf der Bühne.
Niccolo Paganini: Capricci
In ganz Europa feierte Niccolò Paganini Erfolge. Aber erst mit 38 Jahren gab der „Teufelsgeiger“ sein erstes Werk in Druck: die 24 Capricen für Violine solo.
Technisch gehören die 24 Capricen von Paganini mit zum Schwierigsten, was je für die Geige komponiert wurde. „Dedicati agli artisti“ – „den Künstlern gewidmet“ schrieb Paganini auf das Deckblatt seines Opus 1. Soviel ist klar: Wer diese Stücke spielen will, muss – im wahrsten Sinne des Wortes – etwas von seinem „Handwerk“ verstehen. Die Capricen sind kurz, zum Teil dauern sie keine zwei Minuten. Und jede von ihnen hat ihre eigenen technischen Schwierigkeiten. Hat Paganini sie als Übungsstücke komponiert? Als Etüden? Letzteres wohl kaum. Jedes einzelne Stück behandelt einen gewissen geigerischen Aspekt, aber auch einen eigenen Charakteraspekt.
Wann Nicolò Paganini (1782 –1840) seine berühmten 24 Capricci für Solovioline komponierte, ist nicht bekannt. Man hat vermutet, sie seien, in zeitlichen Abständen, schon in seiner Jugend entstanden, beweisen lässt sich das jedoch nicht. Das Autograph enthält (von fremder Hand) das Datum 24. 9bre 1817. Veröffentlicht wurden die Capricci erst drei Jahre später als Opus 1, Paganinis erstes im Druck erschienenes Werk; er war damals immerhin schon 38 Jahre alt.
Der Terminus Capriccio war ursprünglich in der Hauptsache für Stücke kontrapunktischen Charakters gebraucht worden; im Verlauf des 18. Jahrhunderts wandelte sich seine Bedeutung. Er stand nun für bravouröse Solokadenzen in Sonaten- und Konzertsätzen–z.B.bei P.Locatelli, der seinen 12 Violinkonzerten Opus 3 von 1733 (mit dem Titel L’arte del Violino) als Kadenzen zu den Ecksätzen 24 Capricci ad libitum beifügte. Daneben bezeichnete man (etwa Fiorillo, Kreutzer, Rode) auch Übungsstücke für ein Streichinstrument als Capricci oder Caprices. Die Verschmelzung dieser beiden Formen, der konzertanten Kadenz und der technischen Etüde, stellt eine der größten schöpferischen Leistungen Paganinis dar. Mit ihr erschließt er dem Capriccio eine neue musikalische Dimension und neue künstlerische Ausdrucksmittel. Improvisiert wirkende, glanzvolle Tonsequenzen von nahezu überströmender melodischer Fülle erhalten bei Paganini in Aufbau und Ausführung eine klare, geistvolle und in sich geschlossene Form; dennoch geht nichts verloren von ihrem augenblicksgebundenen, den Hörer überraschenden Reiz, der das Capriccio des Barock gekennzeichnet hat. Zugleich macht Paganini aus dem, was ursprünglich reines Schulwerk war, ein didaktisches und künstlerisches Meisterwerk von höchstem Rang, das in seiner exemplarischen Vollendung einen zeitlos gültigen Wert behalten wird. Er schafft ein grundlegendes Lehrwerk für den nach Perfektion strebenden Geiger, in das er alle auf dem Instrument erarbeiteten, neuen spieltechnischen Möglichkeiten einfließen lässt. Für ihn selbst jedoch dient es in erster Linie dazu, diesen seinen neu hinzugewonnenen instrumentalen Fertigkeiten eine klare, gültige Gestalt zu geben – ein Ziel, das im Übrigen auch Chopin angesichts der neuartigen technischen Ausdrucksmöglichkeiten, die er auf dem Klavier entwickelt hatte, in ähnlicher Weise mit seinen Études anstrebte. Paganini schafft mit seinem Werk die Grundlage für die Entstehung der romantischen Konzertetüde, die eine außerordentliche technische Perfektion erfordert und im Klavierwerk Liszts ihren Höhepunkt erreicht.
Das Neuartige an Paganinis Capricci liegt jedoch nicht nur im instrumentalen, sondern auch im musikalischen Bereich. Auf der einen Seite sind sie von äußerster, bis an die Grenzen des Möglichen gehender Virtuosität, auf der anderen Seite aber auch von völlig neuer künstlerischer Vollkommenheit. Musikalische Substanz und technische Schwierigkeit unterliegen – und darin liegt eine weitere Parallele zu Chopins Etüden – höchsten Ansprüchen und verschmelzen zur organischen Ganzheit eines Kunstwerks, das einen Hauch schöpferischen Lebens spürbar werden lässt und die technischen Schwierigkeiten der Ausführung vergessen macht.
Genua und München, Frühjahr 1990 Renato de Barbieri · Alberto Cantù Ernst Herttrich
Sankt-Karli-Kirche Luzern
Eintritt frei, Kollekte Details
- Datum:
- 20. November 2022
- Zeit:
-
5:00 pm - 6:00 pm